„Alles, was mit Finanzen zu tun hat, wird auf der Blockchain landen“
Die Blockchain wird die Finanzwelt auf den Kopf stellen – hieß es einst. Bisher ist die Revolution ausgeblieben, doch Experten überlegen intensiv, wofür man die Technologie einsetzen kann. Vor allem eine Möglichkeit hat es in sich
Dezentral, fälschungssicher und absolut vertrauenswürdig: Mit diesen Eigenschaften, so schwärmten Enthusiasten einst, werde die Blockchain Banken hinter sich lassen wie der Dampfmotor das Segelschiff oder der Farbfernseher die Schwarzweißröhre. Bei der Blockchain handelt es sich um eine Kette von digitalen Datenblöcken, die mit jeder Transaktion weiter wächst und die oft mit einem Buchhaltungssystem verglichen wird. Sie ist auf einer großen Zahl von unterschiedlichen Rechnern gespeichert und kann ohne eine zentrale Zwischeninstanz Werte transferieren – was sie wiederum so gefährlich für Banken macht, die diese Rolle klassischerweise einnehmen.
Die Blockchain wird die Rolle von Banken verändern
Doch nicht alle sehen in der Technologie einen Gegenspieler zu Banken. Zwar werde die Blockchain die Rolle von Banken verändern, aber auch wenn traditionelle Einnahmen wie aus dem Zahlungsverkehr wegfielen, kämen neue hinzu, sagt Philipp Sandner. Sandner ist Professor an der Frankfurt School of Finance & Management und leitet dort das Blockchain Center, das Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie für Unternehmen analysiert. Er ruft Manager dazu auf, sich intensiv mit dieser Technologie auseinanderzusetzen und warnt eindringlich davor, sie zu ignorieren.
DB: Herr Sandner, vor drei Jahren sagten Sie in einem Interview, dass die Blockchain-Technologie die Finanzbranche umkrempeln werde wie der Elektroantrieb die Autoindustrie. Sehen Sie das heute noch genauso?
Sandner: Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Es ist eine absolute Killer-Technologie. Alles, was mit Finanzen zu tun hat, wird auf der Blockchain landen – seien es der Euro, Wertpapiere, Immobilien oder Rohstoffe. Ich denke, dass das noch fünf bis zehn Jahre dauern wird. Aber Firmen aus der Finanzbranche dürfen diese Technologie auf keinen Fall unterschätzen, sondern müssen sich unbedingt mit ihr beschäftigen.
Dieses Video zeigt, wie bestimmte Güter der chemischen Industrie dank der Blockchain finanziert werden könnten
DB: Wie sollten Finanzunternehmen vorgehen?
Sandner: Sie müssen sich dem Thema offen nähern, und das über alle Abteilungen und Hierarchieebenen hinweg. Die Blockchain wird bahnbrechende Veränderungen in vielen Bereichen bringen. Deshalb ist es so wichtig, sich quer durch das Unternehmen zu überlegen, wo und wie man sie einsetzen kann. Dafür braucht es aber auch deutlich mehr „Digital Natives“ in den Führungsetagen.
DB: Lassen Sie uns konkret werden: Sie haben 2018 in einer Studie festgestellt, dass Krypto-Börsengänge, sogenannte Initial Coin Offerings (ICOs), Ähnlichkeiten zu klassischen Risikokapitalmärkten zeigen. Könnte das Begleiten von ICOs ein Zukunftsgeschäft für Finanzunternehmen sein?
Sandner: Früher oder später wird es digitale Börsengänge geben – auch von Start-Ups. Dann wird es für Banken Sinn machen, diese zu begleiten. Allerdings glaube ich dabei nicht an ICOs in ihrer heutigen Form, die zuletzt ja auch zurückgegangen sind. Banken sollten sich dem Thema Blockchain mit anderen Projekten nähern. Ein erstes Beispiel könnte sein, dass eine Bank den Euro auf der Blockchain emittiert und der Industrie zur Verfügung stellt. Da gibt es bisher einige sehr vielversprechende Prototypen.
Digitales Bargeld könnte in Zukunft eine große Rolle spielen - hier zeigen wir warum
DB: Was versprechen Sie sich von einem Euro, der auf der Blockchain abgebildet ist?
Sandner: Eine ganze Menge: In fünf Jahren werden mehr als 75 Milliarden Maschinen mit dem Internet verbunden sein. Kameras, Sensoren, Maschinen oder Autos könnten dann selbst bezahlen und Umsätze verbuchen. Der Euro auf Blockchain-Basis könnte auch den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr verändern, wenn man davon ausgeht, dass Auslandsüberweisungen oft Tage dauern und bisher Onlinehändler die anfallenden Transaktionsgebühren an die Kunden weitergeben.
DB: Klingt so, als würde den Banken gleich mit Ihrem ersten Beispiel ein Teil ihres Geschäftsmodells wegbrechen. Doch welche Chancen bietet ihnen die Blockchain?
Sandner: Die Blockchain wird die Rolle von Banken verändern. Traditionelle Einnahmen wie zum Beispiel aus dem Zahlungsverkehr könnten wegfallen, dafür wird es ein erhebliches Einsparpotenzial bei der Kundenidentifizierung geben, dem sogenannten „Know your client“-Prozess, und alles was mit Beratung und Risikoanalyse zu tun hat, wird verstärkt gefragt sein. Wenn neben Geld auch andere Vermögensgegenstände wie Aktien, Immobilien oder das Kfz-Register auf einer Blockchain abgebildet werden, können Banken diese Daten und Wertgegenstände sicher für ihre Kunden verwahren – darin sind sie schon heute Experten, und das ist aus meiner Sicht ein wichtiges Geschäft der Zukunft.
DB: Das müssen Sie erklären. Kern der Blockchain-Technologie ist doch gerade, dass Informationen dezentral gespeichert werden, somit sicher sind und keine zentrale Instanz nötig ist. Warum sollte eine Bank nun Daten auf der Blockchain verwalten?
Sandner: Weil es zu gefährlich ist, Kunden einen individuellen Authentifizierungsschlüssel zu geben, mit dem sie ihre Wertgegenstände auf der Blockchain verwalten. Wenn dieser Schlüssel verloren geht, kommen sie nie mehr an ihr Vermögen. Das ist der Unterschied zum Online Banking, wo sie Zugangsdaten erneut beantragen können. Deshalb wird man Banken brauchen, die den Kontakt zum Kunden und den Zugriff auf die Technik haben. Die Bank ist somit eine Brücke zwischen echter Welt und Blockchain-System. Und diese Brücke wird immer wichtiger, weil es mehr und mehr Wertgegenstände und Daten geben wird, die man mit der Blockchain verwalten kann.
DB: Dafür sind allerdings entsprechende Gesetze nötig. Die Bundesregierung hat in ihrer Blockchain-Strategie festgehalten, dass sie das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen will. Ist das aus Ihrer Sicht ein richtiger Schritt in diese Richtung?
Sandner: Absolut. Es ist gut, dass der Staat das Thema Verwahrung in den Blick nimmt, denn Verwahrung ist letztlich die Basis von allem. Nur wenn sie dafür eine klare Regulatorik haben, können digitale Werte in großem Stil auf die Blockchain gebracht werden und Banken dort sicher darauf aufpassen. Das ist wirklich ein essenzieller Schritt, wenn unsere Wirtschaft und Gesellschaft digitaler werden soll. Und gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig das ist. Durch solche Vorhaben bekommt die Blockchain-Technologie Rückenwind, der dazu führen kann, dass sich mehr Unternehmen und Menschen mit ihr beschäftigen. Genau das wünsche ich mir für die Zukunft.
Hier erklärt Dr. Robert Bosch, Partner von Bearingpoint, wie sich Banken der Blockchain-Technologie nähern sollten
Die Blockchain wird die Finanzwelt auf den Kopf stellen – hieß es einst. Bisher ist die Revolution ausgeblieben, doch Experten überlegen intensiv, wofür man die Technologie einsetzen kann. Vor allem eine Möglichkeit hat es in sich
Dezentral, fälschungssicher und absolut vertrauenswürdig: Mit diesen Eigenschaften, so schwärmten Enthusiasten einst, werde die Blockchain Banken hinter sich lassen wie der Dampfmotor das Segelschiff oder der Farbfernseher die Schwarzweißröhre. Bei der Blockchain handelt es sich um eine Kette von digitalen Datenblöcken, die mit jeder Transaktion weiter wächst und die oft mit einem Buchhaltungssystem verglichen wird. Sie ist auf einer großen Zahl von unterschiedlichen Rechnern gespeichert und kann ohne eine zentrale Zwischeninstanz Werte transferieren – was sie wiederum so gefährlich für Banken macht, die diese Rolle klassischerweise einnehmen.
Doch nicht alle sehen in der Technologie einen Gegenspieler zu Banken. Zwar werde die Blockchain die Rolle von Banken verändern, aber auch wenn traditionelle Einnahmen wie aus dem Zahlungsverkehr wegfielen, kämen neue hinzu, sagt Philipp Sandner. Sandner ist Professor an der Frankfurt School of Finance & Management und leitet dort das Blockchain Center, das Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie für Unternehmen analysiert. Er ruft Manager dazu auf, sich intensiv mit dieser Technologie auseinanderzusetzen und warnt eindringlich davor, sie zu ignorieren.
DB: Herr Sandner, vor drei Jahren sagten Sie in einem Interview, dass die Blockchain-Technologie die Finanzbranche umkrempeln werde wie der Elektroantrieb die Autoindustrie. Sehen Sie das heute noch genauso?
Sandner: Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Es ist eine absolute Killer-Technologie. Alles, was mit Finanzen zu tun hat, wird auf der Blockchain landen – seien es der Euro, Wertpapiere, Immobilien oder Rohstoffe. Ich denke, dass das noch fünf bis zehn Jahre dauern wird. Aber Firmen aus der Finanzbranche dürfen diese Technologie auf keinen Fall unterschätzen, sondern müssen sich unbedingt mit ihr beschäftigen.
Dieses Video zeigt, wie bestimmte Güter der chemischen Industrie dank der Blockchain finanziert werden könnten
DB: Wie sollten Finanzunternehmen vorgehen?
Sandner: Sie müssen sich dem Thema offen nähern, und das über alle Abteilungen und Hierarchieebenen hinweg. Die Blockchain wird bahnbrechende Veränderungen in vielen Bereichen bringen. Deshalb ist es so wichtig, sich quer durch das Unternehmen zu überlegen, wo und wie man sie einsetzen kann. Dafür braucht es aber auch deutlich mehr „Digital Natives“ in den Führungsetagen.
DB: Lassen Sie uns konkret werden: Sie haben 2018 in einer Studie festgestellt, dass Krypto-Börsengänge, sogenannte Initial Coin Offerings (ICOs), Ähnlichkeiten zu klassischen Risikokapitalmärkten zeigen. Könnte das Begleiten von ICOs ein Zukunftsgeschäft für Finanzunternehmen sein?
Sandner: Früher oder später wird es digitale Börsengänge geben – auch von Start-Ups. Dann wird es für Banken Sinn machen, diese zu begleiten. Allerdings glaube ich dabei nicht an ICOs in ihrer heutigen Form, die zuletzt ja auch zurückgegangen sind. Banken sollten sich dem Thema Blockchain mit anderen Projekten nähern. Ein erstes Beispiel könnte sein, dass eine Bank den Euro auf der Blockchain emittiert und der Industrie zur Verfügung stellt. Da gibt es bisher einige sehr vielversprechende Prototypen.
Digitales Bargeld könnte in Zukunft eine große Rolle spielen - hier zeigen wir warum
DB: Was versprechen Sie sich von einem Euro, der auf der Blockchain abgebildet ist?
Sandner: Eine ganze Menge: In fünf Jahren werden mehr als 75 Milliarden Maschinen mit dem Internet verbunden sein. Kameras, Sensoren, Maschinen oder Autos könnten dann selbst bezahlen und Umsätze verbuchen. Der Euro auf Blockchain-Basis könnte auch den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr verändern, wenn man davon ausgeht, dass Auslandsüberweisungen oft Tage dauern und bisher Onlinehändler die anfallenden Transaktionsgebühren an die Kunden weitergeben.
DB: Klingt so, als würde den Banken gleich mit Ihrem ersten Beispiel ein Teil ihres Geschäftsmodells wegbrechen. Doch welche Chancen bietet ihnen die Blockchain?
Sandner: Die Blockchain wird die Rolle von Banken verändern. Traditionelle Einnahmen wie zum Beispiel aus dem Zahlungsverkehr könnten wegfallen, dafür wird es ein erhebliches Einsparpotenzial bei der Kundenidentifizierung geben, dem sogenannten „Know your client“-Prozess, und alles was mit Beratung und Risikoanalyse zu tun hat, wird verstärkt gefragt sein. Wenn neben Geld auch andere Vermögensgegenstände wie Aktien, Immobilien oder das Kfz-Register auf einer Blockchain abgebildet werden, können Banken diese Daten und Wertgegenstände sicher für ihre Kunden verwahren – darin sind sie schon heute Experten, und das ist aus meiner Sicht ein wichtiges Geschäft der Zukunft.
DB: Das müssen Sie erklären. Kern der Blockchain-Technologie ist doch gerade, dass Informationen dezentral gespeichert werden, somit sicher sind und keine zentrale Instanz nötig ist. Warum sollte eine Bank nun Daten auf der Blockchain verwalten?
Sandner: Weil es zu gefährlich ist, Kunden einen individuellen Authentifizierungsschlüssel zu geben, mit dem sie ihre Wertgegenstände auf der Blockchain verwalten. Wenn dieser Schlüssel verloren geht, kommen sie nie mehr an ihr Vermögen. Das ist der Unterschied zum Online Banking, wo sie Zugangsdaten erneut beantragen können. Deshalb wird man Banken brauchen, die den Kontakt zum Kunden und den Zugriff auf die Technik haben. Die Bank ist somit eine Brücke zwischen echter Welt und Blockchain-System. Und diese Brücke wird immer wichtiger, weil es mehr und mehr Wertgegenstände und Daten geben wird, die man mit der Blockchain verwalten kann.
DB: Dafür sind allerdings entsprechende Gesetze nötig. Die Bundesregierung hat in ihrer Blockchain-Strategie festgehalten, dass sie das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen will. Ist das aus Ihrer Sicht ein richtiger Schritt in diese Richtung?
Sandner: Absolut. Es ist gut, dass der Staat das Thema Verwahrung in den Blick nimmt, denn Verwahrung ist letztlich die Basis von allem. Nur wenn sie dafür eine klare Regulatorik haben, können digitale Werte in großem Stil auf die Blockchain gebracht werden und Banken dort sicher darauf aufpassen. Das ist wirklich ein essenzieller Schritt, wenn unsere Wirtschaft und Gesellschaft digitaler werden soll. Und gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig das ist. Durch solche Vorhaben bekommt die Blockchain-Technologie Rückenwind, der dazu führen kann, dass sich mehr Unternehmen und Menschen mit ihr beschäftigen. Genau das wünsche ich mir für die Zukunft.
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